Gespräch zwischen Harald Muenz und Mathias Traxler

Auszug aus der Mailkorrespondenz zwischen Harald Muenz und Mathias Traxler in Vorbereitung der CON_TEXT-Veranstaltungen „Haut-Parleurs“ am 22., 23. und 24. Februar 2017 in der Lettrétage, redigiert als Gespräch:


1: So, bevor ich nun die Partitur mal ausdrucke, muss ich rasch Papier holen gehen und ein paar Komissionen machen.

2: Anbei ein, zwei Beispiele, wie es im Minnesang II-Block aussehen könnte.

1: Hach, grad kommt deine Mail. Schön, Chopin, Schumann & Tristan!! Bist du das am Klavier?

2: Herzlichen Dank für den interlinearen Konrad — jetzt ist es natürlich ganz klar.

1: Ja, „hoch angesiedeltes“ Material zu verwenden, finde ich im Grunde völlig normal und ist in bestimmter Hinsicht womöglich sogar eine Pflicht. Vielen Dank für den Text von Lachenmann zu Accanto.

2: Vor unserem Skype-Gespräch möchte ich dir noch einige Aufnahmen schicken, die ich in den vergangen Tagen gemacht habe, noch ganz lose, praktisch unbearbeitet und noch untranskribiert. In den Texten kommen immer wieder Stellen vor, wo es um das Innen, das Aussen, Membrane und Übersetzungen geht.

1: An meiner Übertragung des Lieds von Konrad von Würzburg bin ich noch voll drin. Zunächst gilt es dazu, noch mehr ein- und zweisilbige Wörter aus den Sonetten Giacomo da Lentini’s herauszusuchen, ein bis zu einem weiten Grad sehr konzeptuelles Vorgehen, mehr davon später.

2: Außerdem habe ich dieselbe Aufnahme des KvWÜ-Gedichts nun auch einmal versuchsweise auf 60 Minuten gestreckt, und zwar erneut mit zwei unterschiedlichen Time-Stretch-Verfahren für den rechten und den linken Kanal. Diese Kanaltrennung muß man später nicht haben, man kann beide Stereokanäle auf dieselbe Weise transformieren, es spart nur jetzt Upload-Zeit, kannst ja beim Abhören mit dem Balance-Regler spielen. Hier kannst Du das wieder streamen, die Datei ist mit dem Kennwort „Konrad“ geschützt.

© Evgeny Revvo

1: Etter-Kirsch ist einer der besten.

2: Im Sinne von „dasselbe ist nicht dasselbe“ dachte ich mal so als Hypothese, Du könntest eventuell die A-Klarinette benutzen, und ich B, so daß immer automatisch ein Halbton-Clash zwischen uns entsteht, wenn wir denselben Griff haben. Dadurch etabliert sich eine virtuelle „Semiton-Membran“ zwischen uns, auf die man wiederum vielfältig reagieren kann.

1: Mozart-Kugeln brauchen wir ja auch noch (apropos Budget) oder ist die Dose noch voll?

2: Keine Sorge, wenn ich mich nicht täglich mailde, die Dinge laufen weiter.

1: Ja, ich finde auch, den portablen Lautsprecher so einzusetzen, wie Du es beschreibst, ist eine sehr gute Arbeitshypothese. Sollen wir ihn vielleicht auch textlich zuordnen

2: Wenn wir den Haupttext entschieden haben, und er eingesprochen und auf 60 Minuten gestreckt ist, würde ich gern anhand des klanglichen Ergebnisses versuchen, eine erste zeitliche Untergliederung der Stunde vorzunehmen.

1: Dies ist ein anderes Duo mit mir selbst über „KV421“.

2: Von „KV421“ gibt es noch wesentlich mehr als zwei Aufnahmen, da schweben mir Kombinationen verschiedener Überlagerungen bis hin zur Unverständlichkeit vor. Und Deine Stimme sollte natürlich auch noch hineinkommen. So hört sich die unsynchronisierte Überlagerung 14 verschiedener KV421—Lesungen an: Dabei finde ich das ausfransende Decrescendo am Ende spannend, wenn unverhofft eine gewisse Verständlichkeit hineinkommt.

1: Und wie gut, dass du die Wechselsprechanlage gefunden hast, so können wir bei der Aufführung aufeinander aufpassen.

2: Mit den Donnerrohren könnte man auch zwei Satelliten machen, einen eher monistischen zu Anfang, wo wir (eher jeder für sich) nur Geräusche erzeugen, und in der zweiten Halbzeit einen eher dialogisierenden, bei dem wir schon (Minne?)-Text in die Röhre sprechen, wobei aber manche Worte durch reine Rohr-Geräusche ersetzt („geschwärzt“) sind. Dann würde man im zweiten Teil noch einmal bei denselben Donnerrohr-Raumpositionen wie im ersten vorbeikommen, aber eben verändert.

1: Das „Wechselsprechen“ in allen möglichen Formen gefällt mir ebenfalls gut – auch Interaktion, Dialog (der ja im übrigen auch beim Kammermusizieren stattfindet).

2: Das Spiel(en) mit den Superball-Schlägeln (tatsächlich der Neue-Musik-Fachausdruck für die auf Rouladennadeln aufgespießten Flummies) könnte man auch dialogisch anlegen: einerseits zwischen uns, andererseits als Möglichkeit, ganz konkret auf die Klänge des Bandes einzusteigen.

© Evgeny Revvo

1: Eine andere Möglichkeit in dieser Richtung sehe ich darin, einen Text „so langsam wie möglich“ zu sprechen, also im Grunde eine Art Live-Zeitlupe beim Sprechen; auch dann nähert man sich den Bandklängen an.

 

„Haut-Parleurs“

In 2 Räumen richten Traxler und Muenz 1 Sprach-Stunde an.

In 421 Bewegungen donnert der Lautsprecher ins Rohr, der Kühlschrank hallt nach dem Klavier, accanto verköchelt Gober darin die Minne.

Im kirschigen Finale läutern Etter und Schladerer die Hörer innen.

 

2: Und ich habe die vier Sätze des Mozart-Streichquartetts lückenlos aneinandergehängt und dann ebenfalls auf eine Stunde gestreckt, was auch sehr schön klingt. Das wäre sozusagen eine erste Idee für einen übergreifenden Prozeß für die ganze Stunde. Die Großform wäre quasi ein Decrescendo von Parallelsprechen mit zunehmender „Enthüllung“ des Haupttextes.

1: Vielleicht ist das auch der einzige Zeitpunkt, in dem wir uns beide an derselben Station im Raum befinden (größtmögliche Nähe); alles davor/danach wäre ein Weg dorthin und wieder (anders) davon weg.

2: Hier einmal drei (provisorische) Erprobungen meinerseits mit präexistenten Texten von Dir – freue ich über Rückmeldung, bitte auch kritisch.

1: Es floss auch viel Feuerwasser (Whiskey, Kirsch etc.), was vielleicht vor allem dazu verhalf, gewisse meiner Kräfte zusammenzuhalten.

2: Anbei nun kv421 mit Markierungen. Es ist mir schwer gefallen resp. nicht gelungen, die wichtigsten Wörter herauszufinden, dafür etwas anderes.

1: Deine 12 „Wechselmarken“ waren sehr hilfreich für mich. Ich habe nun in der Mitte der durch diese Marken begrenzten Textabschnitte, außer in den sehr kurzen ersten beiden, je ein keyword definiert (siehe die rot gedruckten Wörter im beigefügter Scan) – das sind ebenfalls 12. Wie Du im Scanne siehst habe ich dann Wechselmarken und keywörter durchnumeriert und sie auf diese Weise einander zugeordnet. Die Stopzeiten in eckigen Klammern beziehen sich auf das 60-Minuten-Zuspiel, und zwar sind es die Stellen, an denen Deine Wechselmarken erscheinen (nicht die betreffenden Wörter). Dadurch werden meine 12 Keywörter Deinen Wechselorten zugeordnet, bzw. markieren diese Orte hörbar auf dem Zuspiel.

2:Gute Idee, den Mozartbrief zu integrieren! Wie war es bei Pollini? Ich sende einen heiteren Gruss durch die Nacht. Und morgen mehr.

1: Und zum anderen fragte ich nach dem Verhältnis eines anwesenden Körpers und seiner Stimme, der sowohl nichts sagt und Audiospuren abspielt als auch wirklich im Moment was sagt, aber dies nicht sofort oder gar nicht erkenntlich ist, bezogen zu einer aktuellen Situation und zu den anderen anwesenden Körpern im Raum (oder im angrenzenden).

2: Mehrsprachigkeit ist praktisch ein Muss; oder anders gesagt wüsste ich es nicht zu vermeiden.